Künstliche Intelligenz – Fluch oder Segen?

von Michael Brunsch

Die künstliche Intelligenz (KI) ist auf dem Vormarsch. Das kann man gut finden oder auch schlecht. Tatsächlich lässt sich das nicht aufhalten. Viele denken da an das autonome Fahren, aber auch in der Medizin (Diagnose) oder in der Robotik sind in letzter Zeit große Fortschritte gemacht worden – immer mit dem Ziel dem Menschen mühsame Arbeit abzunehmen und Zeit zu geben für andere Dinge. Also prinzipiell gut, aber Vorsicht: Wir sind hier erst am Anfang. Noch immer passieren dramatische Unfälle beim autonomen Fahren oder Fehldiagnosen. Computerprogramme sind am Ende von Menschen geschrieben – und Menschen machen Fehler.

Nun hat auch bei chess.com die KI Einzug gehalten. Hier sollen Beleidiger und Betrüger (Cheater) bestraft werden – also prinzipiell gut. Aber auch hier passieren Fehler – wie unlängst im Schachclub Höchstadt. Ein Mitglied – nennen wir ihn der Einfachheit halber Bigbull13 – musste eines Tages beim Versuch des täglichen Einloggens folgendes lesen: „Dein Zugang ist gesperrt – gemäß unserer Richtlinien des Beleidigens oder Betrügens“ [sinngemäß übersetzt). Bigbull13 war zunächst schockiert. Er nutzte die Plattform nun schon ein ganzes Jahr, war auch auf anderen Plattformen wie chessbase oder lichess. Aber so etwas hatte er noch nicht erlebt. Er musste sich – gerade bei Tandemspielen (Bughouse) mit fremden Spielern schon Flüche wie „Idiot“ von seinem Partner hören, aber er hatte nie eine Beleidigung seinerseits abgesetzt. Auch ein Betrügen kam für ihn nie in Frage. Warum auch? Was sollte man da groß gewinnen? Außerdem war er stets Vorbild für seine zahlreichen Schüler und fühlte sich hier etisch verpflichtet.

Also schrieb Bigull13 den Support an, und bekam tatsächlich nach 3 Tagen eine Antwort, die aber nicht sehr befriedigend war. Wieder wurde die Formulierung „gegen Richtlinien“ verstoßen zu haben benutzt, ohne auf Details zu gehen. Nach mehrmaligen E-Mail-Austausch wurde auch die Beschwerdeabteilung (appeal team) zu Rate gezogen. Aber auch hier kamen keine Details. Die Antworten waren „Betrug in mehreren Partien“ und „wir sind die führenden Experten auf diesem Gebiet“. Das war es dann aber auch.

Bigbull13 bleibt nichts Anderes übrig, als um einen Zweit-Account zu bitten, aber ein mulmiges Gefühl bleibt. Was sollte sich in seinem Spiel ändern? Vermutlich wird wieder das Gleiche passieren – auch wieder ohne Betrugsversuch. Was aber bisher noch niemand beantworten konnte ist der Umstand, dass die ELO-Zahl in etwa der Wertungszahl im „realen“ Schach entspricht. Sollte Bigbull13 auch da betrogen haben? Und wenn er schon betrog, warum war die Elo-Zahl dann immer noch bei 1950? Wäre da nicht eine Zahl zwischen 2400 und 2500 besser erklärbar?

Künstliche Intelligenz ist die Zukunft, aber Fehler auf diesem Gebiet müssen genau analysiert werden. Oder würden wir Tesla nach dem tödlichen Autounfall erlauben weiterzumachen, wenn von dort die Worte kämen „das passiert, das wird schon...“?

chess.com wurde um eine Stellungnahme gebeten, aber verwies hier auf geschützte Daten.

 

     

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